Freitag, 2. August 2013

O sag mir die Wahrheit über Liebe



O Sag Mir Die Wahrheit Über Liebe

Manch einer sagt, Liebe sei kindisch,
Mancher sagt, sie sei federleicht,
Für manchen dreht sie die Welt im Kreis,
manch andrer findet's zu seicht,
Ich fragt' den Mann von nebenan,
Ob er es etwa wüßte,
Sein Weib, sie sah mich finster an,
sagt', daß er passen müßte.

Sieht sie aus wie ein Streifenpyjama,
Oder wie ein Schinken vom scheckigen Rind?
Riecht sie vielleicht wie ein Lama,
Oder doch mehr nach Zucker und Zimt?

Fasst sie sich an wie die Blätter von Hecken,
Oder weicher als Daunen noch?
Ist sie scharf oder rund an den Ecken?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

In schlauen Büchern kommt sie vor
Umwoben wie eine Fee,
Man redet darüber, das ist bekannt,
Auf Luxusdampfern auf See;
Selbstmörder haben sie erwähnt
Ganz sicher unter Tränen
Manch einer kritzelt gar von ihr
Auf Eisenbahnfahrplänen.

Heult sie wie hungrige Fellachen,
Tönt sie wie ein Korpsoffizier?
Kann jemand den Klang nachmachen
Mit Säge oder Steinway-Klavier?

Tanzt sie auf Partys den Reigen?
Liebt sie's klassisch, aus jeder Epoch?
Wird sie auf Wunsch auch mal schweigen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Ich suchte sie im Sommerhaus,
Doch war sie niemals dort,
Vergebens an der Themse auch,
Und manchem andren Ort,

Ich hörte nicht der Drossel Ruf
Noch Ansichten der Katze;
Ich fand sie nicht im Hühnerhof
Noch unter der Matratze.

Schneidet sie vielleicht gern Grimassen?
Wird ihr schlecht, wenn sie schaukelt einher?
Kann sie's Wetten auf Pferde nicht lassen?
Oder liebt sie die Geigen vielmehr?
Denkt sie dran, Geld zu machen?
Ist ihr die Heimat ein Joch?
Ist sie vulgär oder lässt sie uns lachen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Wenn sie kommt, kommt sie dann ohne Tarnung?
Ist sie wie andre zu sehen?
Klopft sie dann an ohne Warnung,
Tritt mir im Bus auf die Zeh'n?
Wird sie kommen wie plötzlicher Regen?
Trägt sie ihr Haupt tief oder hoch?
Werd ich deshalb auf einmal verwegen?

Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Den Übersetzer habe ich leider nicht finden können.


Die Pfützenspringerin 1934


O Tell Me The Truth About Love

Some say that love's a little boy,
And some say it's a bird,
Some say it makes the world go round,
And some say that's absurd,
And when I asked the man next-door,
Who looked as if he knew,
His wife got very cross indeed,
And said it wouldn't do.

Does it look like a pair of pajamas,
Or the ham in a temperance hotel?
Does it's odour remind one of llamas,
Or has it a comforting smell?
Is it prickly to touch as a hedge is,
Or soft as eiderdown fluff?
Is it sharp or quite smooth at the edges?
O tell me the truth about love.

Our history books refer to it
In cryptic little notes,
It's quite a common topic on
The Transatlantic boats;
I've found the subject mentioned in
Accounts of suicides,
And even seen it scribbled on
The backs of railway-guides.

Does it howl like a hungry Alsatian,
Or boom like a military band?
Could one give a first-rate imitation
On a saw or a Steinway Grand?
Is its singing at parties a riot?
Does it only like Classical stuff?
Will it stop when one wants to be quiet?
O tell me the truth about love.

I looked inside the summer-house;
it wasn't ever there:
I tried the Thames at Maidenhead,
And Brighton's bracing air.
I don't know what the blackbird sang,
Or what the tulip said;
But it wasn't in the chicken-run,
Or underneath the bed.

Can it pull extraordinary faces?
Is it usually sick on a swing?
Does it spend all it's time at the races,
Or fiddling with pieces of string?
Has it views of it's own about money?
Does it think Patriotism enough?
Are its stories vulgar but funny?
O tell me the truth about love.

When it comes, will it come without warning
Just as I'm picking my nose?
Will it knock on my door in the morning,
Or tread in the bus on my shoes?
Will it come like a change in the weather?
Will its greeting be courteous or rough?
Will it alter my life altogether?
O tell me the truth about love.

W.H. Auden

Januar 1938


Tibor von Halmay & Vera Mahlke ca. 1931


Sag Mir Die Wahrheit Über Die Liebe

Man sagt, die Liebe sei ein Kind,
Man sagt, dass sie oft gurrt,
Man sagt, sie dreht die Welt herum,
Und dann, das sei absurd.
Als ich den Nachbarn fragen ging,
Der tat, als wüsste er,
Da wurde seine Frau sehr bös
Und sagte: viel zu schwer!
Sieht sie aus wie die schönen Pyjamas,
Oder eher wie Schinken im Saft?
Riecht sie streng wie eins von den Lamas,
Oder duftet sie voller Kraft?
Ist sie kratzig wie Gartenhecken,
Oder weich wie der Flaum einer Gans?
Ist sie scharf oder weich an den Ecken?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Die Bücher berichten nur wenig
Und wirklich nicht sehr klar,
Doch immerzu ist sie ein Thema
Auf Dampfern an der Bar;
Ich fand sie auch als häufigen Grund
Für Tod und Suizid,
Auf Zugfahrplänen sah ich sie
Erwähnt in einem Lied.
Heult sie nachts wie ein Wolf nur aus Laune
oder dröhnt sie wie eine Band?
Spielt sie jemand auf einer Posaune
Oder auf einem Steinway Grand?
Ist ihr Vortrag auf Partys lebendig?
Mag sie eher den klassischen Tanz?
Ist sie leise und zeigt sich verständig?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Ich schaute nach im Sommerhaus
Und auch bei Vaters Gruft:
Ich prüfte die Themse bei Maidenhead
Und Brighton’s frische Luft.
Ich weiß nicht, was die Amsel sang,
die Tulpe sprach kokett,
Doch war sie nicht im Hühnerstall
Und auch nicht unterm Bett.
Zieht sie manchmal verrückteste Fratzen?
Macht das Schaukeln sie schwindlig im Kopf?
Liebt sie Rennen nur, um dort zu schwatzen
Oder kratzt sie sich ständig am Schopf?
Denkt sie nach über Kapitalismus?
Bietet Heimat für sie Stimulanz?
Ist sie selbstlos oder voller Narzissmus?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Wenn sie kommt, tritt sie auf mit Allüren?
Ist sie so wie ich sie mir vorstellen muss?
Klopft sie morgens an all meine Türen
Oder tritt sie mir im Bus auf den Fuß?
Wird das Wetter von ihr wahrgenommen?
Wird sie freundlich sein voll Larmoyanz?
Wird mein Leben durch sie erst vollkommen?
O Liebe kennt niemand so ganz.


© Ulrich Kusenberg

Lunabad Berlin 1930

Alle Photographien:
 © Estate of Joan Munkacsi 
Courtesy International Center of Photography


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